Ein kommunaler Wahl-O-Mat

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0. Die Idee

Anlässlich des Superwahljahrs 2025 versuchen wir ja bekanntlich, alle Wahlen zu erklären, zu begleiten und zu einer möglichst hohen Wahlbeteiligung beizutragen. Für die Wahl zum Rat der Stadt im Rahmen der Kommunalwahl am 14.09.2025 möchten wir

  • den Bottroper Bürger:innen eine Entscheidungshilfe an die Hand geben
  • und den politischen Parteien (mitgemeint: Rats- und Wählergruppen, parteilosen Ratskandidat:innen, …) die Möglichkeit geben, ihre politischen Positionen bekannt zu machen.

Dafür möchten wir einen "kommunalen Wahl-O-Maten" entwickeln!   🎉🎉🎉

Wie in vergleichbaren Anwendungen, z.B. dem originalen Wahl-O-Maten der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) oder weiteren Tools (z.B. DeinWal, WahlSwiper, Sozial-O-Mat, Agrar-O-Mat, Energiewende-O-Mat, Mitwirk-O-Mat, …) sollen Benutzende online in einer Web-App möglichst griffige Thesen bewerten ("stimme zu" | "neutral" | "stimme nicht zu") und solche Thesen, die einem besonders wichtig sind, höher gewichten können. Als Ergebnis wird die Übereinstimmung der persönlichen Einstellungen mit den Positionen der Parteien ausgegeben; außerdem soll die Möglichkeit bestehen, sich auch etwas längere Begründungen der Parteien zu den einzelnen Positionen anzeigen zu lassen.

Klingt einfach, ist es aber nicht 😉

 

1. Grundsätzliche Überlegungen

Als wir begonnen haben, die Idee auszudifferenzieren, waren wir erstaunt, wie viele Stolperfallen und Anforderungen es an so ein Tool gibt:

  • Können wir so ein Projekt technisch überhaupt stemmen?
  • Wie genau soll das Tool realisiert werden, damit es geräte-, betriebssystem- und softwareunabhängig funktioniert?
  • Welche datenschutztechnischen Voraussetzungen müssen wir erfüllen?
  • Wie genau sollen Benutzendeneingaben zusammengerechnet und wie mit den Parteipositionen verglichen werden?

Antworten auf diese Fragen gibt es hier.

 

2. Inhaltsentwicklung

Auch der Entwicklung der eigentlichen Inhalte – der Thesen – kommt natürlich eine zentrale Bedeutung zu: Sie

  • müssen kommunalpolitisch relevant sein,
  • müssen neutral formuliert sein,
  • sollten aus verständlichen, kurzen und einfachen Sätzen bestehen,
  • dürfen keine Beeinflussung durch positive bzw. negative Formulierungen

vornehmen.

Relevanz: Dass der Rat der Stadt Bottrop nicht über internationale Beziehungen, Auslandseinsätze der Bundeswehr oder Einfuhrzölle entscheidet, sollte klar sein. Aber kann eine Kommune einfach über Verkehrsführung, Autobahnauffahrten oder Fahrradinfrastruktur entscheiden oder gibt es hier Vorgaben des Landes NRW oder des Bundes zu beachten? Die Thesen müssen tatsächliche lokalpolitische Zuständigkeiten zum Inhalt haben.

Neutralität: Die Thesen dürfen keine parteipolitisch tendenziösen Formulierungen enthalten. Frames der politischen Kommunikation, ideologische Kampfbegriffe und Dog Whistles müssen vermieden werden, so weit es eben geht: Es sollte also eher von "Gebäudeenergiegesetz" statt "Heizungshammer", von "Umweltaktivismus" statt "Klimakleber", von "Aufnahme Geflüchteter" statt "Flüchtlingswelle", von "Abgaben" statt "Belastungen" usw. gesprochen werden, um eine Beeinflussung der Benutzenden zu vermeiden.

Verständlichkeit: Die Thesen sollen kurz, prägnant, in einfacher Sprache formuliert und möglichst frei von möglichen Missverständnissen sein. Fachbegriffe sollen weitestgehend vermieden werden.

Formulierung: Wie das allseits bekannte "Glas halb voll / halb leer"-Beispiel kann jede These sowohl positiv als auch negativ formuliert sein: "Die Stadt Bottrop soll mehr Flächen als Parkraum kennzeichnen" oder "Die Stadt Bottrop soll für mehr Parkplätze notfalls Radinfrastruktur und Grünflächen zurückbauen" meinen am Ende vielleicht ähnliche Dinge, die Formulierung hat aber sicherlich einen Effekt auf die Leser:innen. Daher muss das Verhältnis von positiven ("einsetzen für", "umsetzen", "verwirklichen", "machen", …) und negativen ("verhindern", "abschaffen", "einsparen", "herunterregulieren", "zurückbauen", …) Formulierungen berücksichtigt werden – und zwar so, dass sowohl über alle Thesen ein Gleichgewicht zwischen Positiv- und Negativ-Formulierungen herrscht, als auch dass nicht die Position einer Partei durch übermäßig viele negative Formulierungen dargestellt wird.

Kooperation mit der Hochschule Ruhr West (1/2):
Die oben angesprochenen Herausforderungen der Thesenentwicklung – neutralen Formulierung, keine Framings, etc. – werden wir unter Berücksichtigung der aktuellen medienwissenschaftlichen Forschung und der beteiligten kognitionspsychologischen Prozesse ebenfalls mit Fachleuten zusammen angehen. Der Kognitions- und Medienwissenschaftler Lukas Erle, ebenfalls von der Hochschule Ruhr West, steht uns mit kommunikations- und medienpsychologischer Expertise für die inhaltliche Gestaltung zur Seite. Wir werden die Redaktionsgrundsätze und die Thesenentwicklung u.a. im Rahmen eines Seminars mit Studierenden des Studiengangs "Mensch-Technik Interaktion" er- und bearbeiten.

Eine erste Veranstaltung wird hat am 11.06.2025 an der Hochschule Ruhr West stattgefunden: Wir haben alle bis dahin eingereichten Themen, Fragen und Ideen und Forderungen aus den Programmen in einem Workshop gesichtet, bearbeitet und in neutrale Wahl-O-Mat-taugliche Thesen transformiert. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Moduls "Kognition, Kommunikation und Medienpsychologie" im Studiengang "Mensch-Technik-Interaktion" statt. Daher war sie "nur" hochschulöffentlich, also für Hochschulangehörige zugänglich. Wir haben aber den Impulsvortrag mit Hilfe des Medienkurses des Berufskollegs Bottrop auf Video konserviert und hier zur Verfügung gestellt:

Hier findet man den Impulsvortrag an der HRW zum Thema "Framing, Kampfbegriffe, Narrative" von Martin Smaxwil – zum zeitsouveränen Nachschauen, incl. Transkript, Inhaltsangabe, Zeitmarken, Folien, Handout, Literatur und Links 😉

Eine umfassende Dokumentation der Inhaltsentwicklung findet man hier.

 

3. Mitwirkung der Bottroper Parteien

Um den Wahl-O-Maten mit Inhalten zu füllen, haben wir bewusst darauf verzichtet, diese eigenständig zu entwickeln. Nicht alle Bottroper Parteien werden umfangreiche Programme zur Kommunalwahl veröffentlichen, und die Veröffentlichungszeiträume liegen oft recht nah am Wahltermin. Daher haben wir die Bottroper Parteien (hier: alphabetisch) AfD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Die Linke, DKP, FDP, MLPD, ÖDP und SPD direkt angefragt und um Mitarbeit gebeten. Dafür haben wir sie am 04.05.2025 angeschrieben und gefragt, ob sie sich grundsätzlich vorstellen können, für den Wahl-O-Maten mit uns zusammenzuarbeiten.

Die Parteien

  1. müssen sich zu den im Projektverlauf entwickelten (ca. 50) Thesen positionieren, damit diese Parteiposition mit den Benutzendeneingaben abgeglichen werden kann und
  2. können zu jeder These eine ausführlichere Begründung der Parteiposition (max. 3 Sätze / 100 Wörter) abgeben, die sich der Benutzende des Wahl-O-Maten anzeigen lassen kann.

Acht Parteien haben ihre Mitarbeit zugesagt:
SPD, CDU, Bündnis90/GRÜNE, Die Linke, die ÖDP, FDP, DKP und die AfD haben sich bereit erklärt, sich zu den Thesen zu positionieren und optional entsprechende Begründungen zu liefern.
Die parteiseitige Bearbeitung der Thesen und Begründungen steht für Juli auf dem Zeitplan.

Wir haben außerdem die Parteien nach Wahlprogrammen (optional: Vorabversionen) – soweit vorhanden – und nach Alleinstellungsmerkmalen gefragt. Insgesamt lagen uns drei Programme (zwei davon dankenswerterweise im Vorabdruck vor Veröffentlichung) und von einer Partei eine Liste politischer Forderungen vor, die wir ebenfalls für die Inhaltsentwicklung berücksichtigt haben.

 

4. Beteiligung der Bottroper Bürger:innen

Um die Thesen nicht völlig an dem Interesse der wahlberechtigten Bürger:innen vorbei zu entwickeln, wollten wir gerne alle Interessierten in den Prozess einbinden. Voraussetzung war, dass die Personen zur Kommunalwahl am 14.09.2025 in Bottrop wahlberechtigt sind. Dafür haben wir zwischen dem 18.05. und dem 22.06.2025 Themen und Thesen entgegengenommen, per Mail, via Instagram, Mastodon, Bluesky, im persönlichen Gespräch oder auf jede andere Art, die den Menschen so eingefallen ist 😉

Wir haben uns – vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Ansprüche an die Thesenformulierung – vorbehalten, die Einreichungen redaktionell zu bearbeiten, mit anderen Vorschlägen zusammenzufassen, sie umzuformulieren oder auch abzulehnen, wenn sie keinen lokalpolitischen Bezug haben, gegen Gesetze oder gute Sitten verstoßen oder auf andere weise unpassend wären.

Den Auswahl- und Redaktionsprozess haben wir hier transparent gemacht.

 

5. Technische Realisierung

Wie oben angekündigt, haben wir uns für Programmierung und Gestaltung professionelle Hilfe gesucht.

Kooperation mit der Hochschule Ruhr West (2/2):
Für die technische Realisierung steht uns Prof. Dr. Malte Weiß vom Institut Informatik der Hochschule Ruhr West zur Seite. Unter seiner Leitung wird die Programmierung incl. Gestaltung der Benutzendenoberfläche von Master-Studierenden im Rahmen eines Praxisprojektes umgesetzt. Wir haben im April die entsprechende Kooperation gestartet und unsere Zusammenarbeit besprochen. Regelmäßige Projektmeetings sind vereinbart.

Relevante Fortschritte werden wir hier berichten.


6. Zeitplan

Der grobe Zeitplan sieht folgende Meilensteine vor:
(Termine können sich im Verlauf noch verschieben!)

  • Jan. 2025: Grobkonzept
  • Feb. 2025: technisches Proof of Concept
  • Apr. 2025: Kooperationsvereinbarungen mit Wissenschaftler:innen der HRW
  • 04.05.2025: Anschreiben der Parteien bzgl. grds. Mitarbeit
  • 18.05.2025: Interessenbekundung der Parteien
  • 18.05.2025: Öffentlicher Aufruf zur Theseneinreichung (ca. 2-3 Wochen)
  • Mai 2025: Beginn der technischen Umsetzung
  • 11.06.2025: Veranstaltung an der HRW zur Entwicklung von Redaktionsgrundsätzen, Bearbeitung erster Thesen
  • Juni 2025: Redaktionelle Bearbeitung der Thesen
  • 29.06.2025: Übermittlung der endgültigen Thesen an die Parteien mit Bitte um Positionierung und Begründung
  • 20.07.2025: Beantwortungsfrist für die mitwirkenden Parteien
  • 17.08.2025: Veröffentlichung des Wahl-O-Maten (4 Wochen vor dem Wahltermin)
  • 14.09.2025: Kommunalwahl

Klingt sportlich? Ist es auch 🙂
Trotzdem glauben wir, dass das machbar ist – wenn Parteien und Interessierte Bürger:innen uns und unser Projekt unterstützen.

Dafür sagen wir schon einmal im Vorfeld: Vielen Dank!

 

Alle zum Projekt zugehörigen Videos findet man hier.

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