Grundsätzliche Überlegungen zum kommunalen Wahl-O-Maten

Wir haben bereits Ende 2024 zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt, einen Wahl-O-Maten für Bottrop zu erstellen. Die grundsätzlichen Überlegungen zur Realisierung, zum mathematischen Modell und zur technischen Umsetzung sowie das ursprungliche Konzept haben wir hier dokumentiert.

Das ausführlichere Konzept von Anfang des Jahres kann man hier herunterladen: Download
Und alle zum Projekt gehörenden Videos findet man gesammelt hier.

1. Technische Realisierung & "Proof of Concept"

Als allererstes haben wir uns gefragt, wie genau wir den Wahl-O-Maten realisieren sollten. Die technischen Rahmenbedingungen waren recht schnell klar: Geräteunabhängig, ohne zusätzliche Installationen von Software oder Apps, über das INternet erreichbar und in jedem gängigen Browser sollte er laufen. Dann haben wir testweise ein paar Umsetzungen "zusammengehackt", um ein Gefühl für die Komplexität zu erhalten. Den kann man hier noch ausprobieren:

Disclaimer:
Dieser sog. "Klickdummy" ist eine reine Testanwendung und soll nur die grundsätzliche technische Machbarkeit nachweisen.
Er enthält Fehler und Bugs. Es fehlen geplante Funktionen. Die Usability ist – naja – "ausbaufähig" 😉
Die Thesen genügen nicht unseren Neutralitätsanforderungen.

Er spiegelt keine echten Parteipositionen wider!

 

Proof of Concept öffnen

 

Zumindest haben wir damit den Nachweis angetreten, dass so ein Projekt technisch grundsätzlich realisierbar ist 😅 – auch mit unseren beschränkten Möglichkeiten.

Auch wenn der originale Wahl-O-Mat sich farblich irgendwo zwischen "FDP-Gelb" und "ÖDP-Orange" einsortiert 😉 , versuchen wir, unseren Wahl-O-Maten lieber in einer parteineutralen Farbgebung zu realisieren (auch wenn schon erstaunlich viele Farben besetzt sind). Für Benutzende soll die Bedienung selbsterklärend sein und durch aussagekräftige Icons unterstützt werden. Die Web-App soll eine Hilfefunktion und Erklärungen beinhalten, evtl. stellen wir Erklärvideos zur Verfügung. Außerdem muss die Anwendung barrierefrei (Tastatursteuerung, Screenreader-Unterstützung, Kontrastmodus, etc.) sein. Auch wenn die Beantwortung der Fragen in der Ampellogik (🔴= stimme nicht zu, 🟡= neutral/keine Meinung, 🟢= stimme zu) wahrscheinlich recht einfach handhabbar ist, muss die Usability darüber hinaus (z.B. Gewichtung von Thesen, Änderung der eigenen Position, Anzeige der Begründungen der Parteien je These, etc.) hoch und möglichst selbsterklärend sein.

Kurzform: Wir bemühen uns um eine einfache Bedienung, eine selbsterklärende Oberfläche und Barrierefreiheit. Die technische Entwicklung und die Gestaltung der Benutzendenoberfläche haben wir an echte Profis abgeben (s. hier, Abschnitt 4).

 

2. Berücksichtigung des Datenschutzes

Politische Einstellungen sind gem. Art. 9 (1) DS-GVO besonders schützenswerte Daten, daher ist eine Abfrage und Verarbeitung entsprechender Angaben nicht problemlos möglich. Man könnte eine vorgeschaltete "informierte Einwilligung" zur Erfüllung von Art. 9 (2) lit. a überlegen, müsste dann aber recht hohe Anforderungen an Freiwilligkeit der Einwilligung, Informationsgehalt der Aufklärung der Verarbeitungstätigkeiten und zusätzlich Widerspruchsmöglichkeiten anbieten und Dokumentationspflichten erfüllen. Dieses juristische Geraffel (und die damit in Verbindung stehenden Haftungsfragen) wollen wir vorerst zu umschiffen.

Technisch soll das mittels einer Web-App (= Webseite, vornehmlich HTML, CSS, JavaScript und verwandte Webtechniken) umgesetzt werden, die keinerlei Daten, Eingaben oder Ergebnisse speichert. Die gesamte Funktionalität des Wahl-O-Maten soll ausschließlich im Browser der Benutzenden zur Verfügung gestellt werden. Serverseitig werden – über allgemeine, anonyme Zugriffsstatistiken des Webservers hinaus – keine Daten verarbeitet. Das ist bzgl. des Datenschutzes besonders benutzendenfreundlich und erfüllt die Anforderungen an "privacy by design" und "privacy by default", dafür fallen allerdings evtl. Komfortfunktionen ("später fortsetzen", "Vergleich mit Anderen", "Vergleich mit früheren Durchgängen", u.v.m.) genauso weg wie Analysemöglichkeiten (s. z.B. Nutzung des Wahl-O-Maten) und weiterführende Erkenntnisse (s. z.B. Wahl-O-Mat-Forschung), da dafür deutlich invasivere Datenspeicherungen vorgenommen werden müssten.

Kurzform: Wir präferieren eine datensparsame Umsetzung: Die soll ausschließlich auf dem Endgerät der Benutzenden realisiert werden, so dass keinerlei personenbezogene Daten über eine Browsersession hinaus gespeichert, übertragen oder sonst wie verarbeitet werden. (Stand: 04.05.2025)

 

3. Mathematisches Modell

Die Basisfunktion eines Wahl-O-Maten besteht darin, dass für jede Partei ein Zähler hochgezählt wird, wenn die individuelle Bewertung einer These mit der Parteiposition übereinstimmt. Am Ende werden diese Übereinstimmungswerte je Partei in eine Reihenfolge gebracht, um die Parteien nach Übereinstimmung mit persönlichen Positionen zu sortieren.

Neben dieser Hochzähl-Grundfunktion gibt es allerdings mehrere weitere Möglichkeiten, die Übereinstimmungswerte weiter auszudifferenzieren, zu gewichten und zu verrechnen – die Überlegungen zur Berechnung eines Übereinstimmungs-Index von individuellen Einstellungen mit Parteipositionen können dabei beliebig komplex werden.

Die größten DIskussionspunkte sind die sog. abgestufte Punktevergabe, die Thesengewichtung und der Umgang mit übersprungenen / nicht beantworteten Thesen.

Abgestufte Punktevergabe vs. eindeutige Übereinstimmung

Bei der abgestuften Punktevergabe werden bei Übereinstimmung mit einer Parteiposition der entsprechenden Partei 2 Punkte, den Parteien mit einer benachbarten Position noch je 1 Punkt vergeben. So ist es z.B. beim “originalen” Wahl-O-Maten (s. Rechenmodell). Dem gegenüber steht eine Punktevergabe nur bei eindeutiger Übereinstimmung.

Die folgenden Schemata zeigen die Punktevergabe der beiden Ansätze:

Tabelle 1: Bewertungsmatrix “abgestufte Punkte”
  Parteienposition
Benutzenden-
position
  stimme zu neutral stimme nicht zu
stimme zu 2 1 0
neutral 1 2 1
stimme nicht zu 0 1 2
übersprungen 0 0 0
Tabelle 2: Bewertungsmatrix “eindeutige Übereinstimmung
  Parteienposition
Benutzenden-
position
  stimme zu neutral stimme nicht zu
stimme zu 1 0 0
neutral 0 1 0
stimme nicht zu 0 0 1
übersprungen 0 0 0

Die Variante "abgestufte Punkte" glättet das Ergebnis etwas und schwächt die Unterschiede der einzelnen Parteien untereinander etwas ab. Im Ergebnis würde dabei für Parteien, deren Position zwar nicht mit der eigenen ganz exakt übereinstimmt, aber zumindest häufig "nahe dran" ist, eine entsprechend hohes Ergebnis angezeigt.

Die Variante "eindeutige Übereinstimmung" berücksichtigt dabei ausschließliche eindeutige Übereinstimmungen der persönlichen mit der Parteiposition. Im Ergebnis können dadurch Unterschiede in den Parteienstandpunkten deutlicher hervortreten.

Gewichtung und überprungene Themen

Wie viele der vergleichbaren Anwendungen soll auch der Lokal-O-Mat Bottrop eine Option anbieten, für spezielle Themen/Thesen eine Gewichtung vorzunehmen. Die Punktevergabe bei Übereinstimmung mit einer Parteiposition wird in diesem Fall von 1 auf 2 verdoppelt, während sich die Anzahl der max. erreichbaren Punkte um 1 erhöht.

Übersprungene und unbearbeitete Thesen zahlen auf keinen parteispezifischen Übereinstimmungswert ein, verringern allerdings auch die max. erreichbaren Punkte um 1. Die folgende Übersicht zeigt ein Berechnungsbeispiel incl. Gewichtung (These 2), übersprungener (These 3) und unbearbeiteter (These 5) These.

Tabelle 3: Beispiel für die Punktevergabe und Ergebnisberechnung incl. Gewichtung und unbeantworteten Thesen
  Position Benutzer:in Gewichtung /
max. Punkte
Partei 1
(Punkte)
Partei 2
(Punkte)
Partei 3
(Punkte)
These 1 stimme zu 1 stimmt zu
(1)
neutral
(0)
stimmt nicht zu
(0)
These 2 stimmt nicht zu 2
(gewichtet)
stimmt nicht zu
(2)
neutral
(0)
stimmt nicht zu
(2)
These 3 übersprungen 0 stimmt zu
(0)
stimmt nicht zu
(0)
neutral
(0)
These 4 neutral 1 stimmt zu
(0)
neutral
(1)
neutral
(1)
These 5 unbearbeitet 0 stimmt zu
(0)
neutral
(0)
neutral
(0)
These 6 stimme zu 1 stimmt zu
(1)
stimmt zu
(1)
neutral
(0)
max. Punkte / Parteipunkte 5 4 2 3
Ergebnis
(Parteipunkte / max. Punkte)
4/5 =
80%
2/5 =
40%
3/5 =
60%

Kurzform: Für "unseren" Wahl-O-Maten scheint Punktevergabe nur bei eindeutiger Übereinstimmung ( abgestufte Nachbarpunkte) sinnvoll, die Gewichtung einzelner Thesen soll ebenfalls möglich sein. (Stand: 04.05.2025)

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